Eine der besten und schlechtesten Klinikerfahrungen gleichzeitig – eingeschränkte Empfehlung
- Pro:
- Kontra:
- Krankheitsbild:
- mehrere Traumafolgestörungen
- Privatpatient:
- nein
- Erfahrungsbericht:
-
Da ich noch weiß, wie aufgeregt ich vor meinem Klinikaufenthalt war und ich dieses Portal nutzte, um mich zu informieren, möchte ich nach meinem Aufenthalt nun selbst meine Erfahrungen mit der Klinik hier teilen:
Positiv: Noch nie habe ich in so kurzer Zeit so viele Fortschritte und Erkenntnisse erzielen können, wie in dieser Klinik. Dies lag m. E. an der hohen Dichte an Einzelpsychotherapie (3x/Woche) und dass ich in einer Gruppe gelandet bin, die ich als sehr unterstützend empfand, sowohl was meine Mitpatientinnen anbelangte, als auch meine Gruppentherapeutinnen (Anm.: Es gibt dort keine „Stationen“ im eigentlichen Sinne, sondern Patienten sind einer Gruppe zugeordnet. Die Gruppe wurde in meinem Falle von zwei Psychotherapeutinnen geleitet, umfasste etwa 5 Patientinnen und zusammen hatten wir 4x/Woche Gruppenpsychotherapie). Auch das breite Angebot weiterer Therapien war toll, von denen einige Pflicht waren (ein nonverbales Angebot) und zusätzlich freiwillige Angebote wie Meditation, Yoga u.a. in Anspruch genommen werden konnten. Aufgrund einer körperlichen Erkrankung achtete meine Einzeltherapeutin darauf, den Therapieplan, der wöchentlich neu angepasst werden konnte, in Absprache mit mir zu entzerren. Der Austausch zwischen den einzelnen Therapeuten und der Pflege bzgl. aktueller Symptomatik/Schwierigkeiten lief m. E. ausgesprochen gut. Wenn ich mit einem Problem zur Pflege kam, wusste diese bereits, wie mein Vormittag soweit „gelaufen“ ist und wir konnten gemeinsam daran anknüpfen. Mir konnte in der Pflegezentrale immer gut geholfen werden, es war genug Zeit da, mein aktuelles Anliegen zu besprechen und ich hatte das Gefühl, bei jeglichen Beschreibungen und Problemen verstanden und ernst genommen zu werden. Ich fand es gut, dass manche härtere Skills von der Klinik grundsätzlich nicht ausgegeben wurden, z.B. Finalgon (in Absprache mit dem Behandler ist die Anwendung trotzdem möglich, aber man muss es sich dann selbst kaufen und in Eigenregie anwenden). Der Fokus wurde eher auf (Aufbau einer) liebevolle(n) Selbstfürsorge gelegt. Ein ganz wichtiger Punkt für mich war der Umgang mit Dissoziation. /weiter in den Kommentaren
4 Kommentare
Hier war es sehr entlastend und hilfreich für mich, dass Dissoziation, anders als in der DBT, meinem Verständnis nach nicht als Entscheidung angesehen wurde (quasi gleichgesetzt mit der Entscheidung zu SVV), sondern als automatisierten Schutzmechanismus, den man nicht bewusst einleiten kann. Das heißt nicht, dass Dissoziationen dort extra Raum gegeben wurde, aber sie durften erst einmal „da sein“. Im Laufe der Behandlung ging es dann darum, Frühwarnzeichen zu bemerken, Verhaltensanalysen zu schreiben, antidissoziative Skills zu erarbeiten und auszuprobieren; auch wenn das z.B. bedeutete, dass ich an manchen Therapien nur wenige Minuten teilnehmen konnte und dann die Gruppe verließ, um mich zu regulieren. So habe ich jedoch nach und nach gelernt, mein Stresstoleranzfenster zu weiten, was essenziell wichtig für eine Traumakonfrontation ist, welche im dissoziativen Zustand nicht möglich ist.
Positiv erwähnen möchte ich auch den Koch, den ich als ausgesprochen sensibel im Umgang mit allen Patienten erlebte, immer einen lustigen oder tröstenden Spruch parat hatte und versuchte, jegliche „Sonderwünsche“ zu ermöglichen.
Nun zum Negativen: Schon vor Aufnahme war ich sehr verunsichert, als ich den Behandlungsvertrag zugeschickt bekam, welchen ich unterschrieben zurücksenden musste.
Auch wenn ich inhaltlich mit diesem übereinstimmte, hat er mich doch in der Härte und v.a. im „Ton“ einiger gewählten Formulierungen abgeschreckt. Der Vertrag hatte für mich eher den Anschein eines Drohbriefs und ich hätte mir empathischere Worte und eine weniger von Hierarchie geprägte Ansprache gewünscht. Mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass bei Fehlverhalten ein sofortiges Gespräch mit der Klinikleitung drohe, welches eine „disziplinarische Beurlaubung“ oder sofortige Beendigung der Therapie zur Folge haben könne. Der Satz, dass das Team der Klinik mich wohlwollend unterstützen möchte, ging meinem Empfinden nach neben der ganzen Liste an Vorgaben und drohenden Konsequenzen fast als Randbemerkung unter. In der Klinik habe ich den Eindruck gewonnen, dass diese eher nicht beziehungsorientiert, sondern störungsorientiert arbeitet. Im Zusammenhang damit möchte ich unterstreichen, dass man sich, wie hier schon von jemand anderem angemerkt wurde, dessen bewusst sein muss, dass man wirklich "von jetzt auf gleich" vor die Tür gesetzt werden kann. /2